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In Israel könnte schon bald die fünfte Parlamentswahl binnen weniger als vier Jahren anstehen: Die beiden Chefs der Regierungskoalition, Ministerpräsident Naftali Bennett und Außenminister Jair Lapid, streben nach nur einem Jahr eine Auflösung des Parlaments und die Einleitung von Neuwahlen an. Ein entsprechender Gesetzentwurf werde kommende Woche in die Knesset eingebracht, erklärten die beiden Politiker am Montag. Alle "Versuche zur Stabilisierung der Koalition" seien "ausgeschöpft" worden.
"Wir haben alles getan, um die Koalition zu bewahren", sagte Bennett vor dem israelischen Parlament. Lapid lobte, der Regierungschef habe "nationale Interessen über seine eigenen" gestellt. Für Streit innerhalb der Acht-Parteien-Koalition hatte unter anderem eine Abstimmung über die Verlängerung eines Gesetzes gesorgt, das Siedlern im besetzten Westjordanland die gleichen Rechte wie Bürgern im Rest des israelischen Territoriums einräumt. Der Koalition war es nicht gelungen, eine Mehrheit für die Abstimmung zu sichern. Bis 30. Juni hätten die Abgeordneten noch Zeit gehabt, das Gesetz zu verlängern.
Er könne nicht zulassen, dass die Maßnahme auslaufe, sagte Bennett, der früher Chef einer Lobbygruppe für jüdische Siedler im Westjordanland war. Dies hätte zu "Sicherheitsrisiken" und einem "verfassungsrechtlichen Chaos" geführt. Mit der Auflösung der Regierung wird die Maßnahme bis zur Bildung einer neuen Regierung automatisch verlängert.
Bennett und Lapid hatten sich im Juni 2021 auf eine historische Koalitionsregierung geeinigt, deren acht Parteien aus allen politischen Lagern stammen. Diese einte vor allem der Wunsch, Langzeit-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu abzulösen, der zuvor zwölf Jahre lang an der Macht war. Dem Regierungsbündnis gehörte erstmals in der Geschichte Israels auch eine arabische Partei, die Raam-Partei, an.
Der rechte Hardliner Bennett und Lapid von der liberalen Partei Jesch Atid beschlossen damals ein Rotationsprinzip, dem zufolge die beiden sich an der Regierungsspitze abwechseln wollten. Dementsprechend soll Lapid Chef der Interimsregierung werden, falls der Gesetzentwurf zur Parlamentsauflösung angenommen wird. Laut einem Bericht der Zeitung "Haaretz" könnte die Wahl dann am 25. Oktober stattfinden.
Die Acht-Parteien-Koalition sollte Israel aus einer beispiellosen Ära des politischen Stillstands führen. Allerdings war das Bündnis von Anfang an brüchig. Im April büßte die Koalition mit dem Rücktritt einer Abgeordneten von Bennetts nationalistischer Jamina-Partei ihre Mehrheit im Parlament ein. Die von Netanjahu angeführte Opposition hatte bereits gedroht, einen eigenen Gesetzentwurf zur Auflösung des Parlaments einzubringen. Dem wollten Bennett und Lapid nun offenbar zuvorkommen.
Ex-Ministerpräsident Netanjahu, der wegen Korruption angeklagt ist, begrüßte das Ende der "schlimmsten Regierung in der Geschichte Israels" und erklärte, "eine starke und stabile" konservative Regierung bilden zu wollen. Bei den vergangenen Wahlen war ihm dies jedoch nicht gelungen. Viele im konservativen Lager misstrauen ihm persönlich und haben jede Zusammenarbeit ausgeschlossen.
So auch Netanjahus früherer Verbündeter, der heutige Justizminister Gideon Saar. Er gab für die nächste Wahl ein klares Ziel aus: Es müsse verhindert werden, "dass Netanjahu ins Amt des Ministerpräsidenten zurückkehrt und den Staat seinen persönlichen Interessen unterwirft", erklärte er auf Twitter.
Die Entscheidung zur Auflösung des Parlaments mache deutlich, dass "Israels schlimmste politische Krise mit der Vereidigung der Regierung nicht endete", sondern nur vorübergehend abgeschwächt worden sei, bewertete Yohanan Plesner vom Israel Democracy Institute die Ereignisse. Plesner zog dennoch ein positives Fazit: Die Regierung habe "eine historische Rolle" gespielt, da sie eine arabische Partei in die Koalition (...) eingebunden und damit den Weg für eine stärkere Einbeziehung der arabischen Minderheit in den politischen Prozess geebnet hat".
H.Roth--NZN