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SPD-Chef Lars Klingbeil hat angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine eine Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik gefordert. Deutschland müsse jahrzehntelange Zurückhaltung aufgeben und auch militärisch stark werden, sagte Klingbeil am Montag in Berlin. Europa müsse im Wettstreit internationaler Beziehungen gleichzeitig "das attraktivstes Zentrum der Welt" werden. Hier komme Deutschland eine Schlüsselrolle zu, betonte Klingbeil. Deutschland müsse dabei "den Anspruch einer Führungsmacht haben."
Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Zeitenwende werde Auswirkungen auf die Politik "der nächsten 20 Jahre haben", sagte Klingbeil in einer Grundsatzrede bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der Westen habe sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion "zu sicher gefühlt", dass ein Staats- und Gesellschaftsmodell sich durchsetzen werde. Und "ein Krieg zwischen Staaten in Europa schien unvorstellbar."
Dies habe der russische Angriff am 24. Februar geändert. Der Westen müsse sich nun fragen, "was wir nun in die Zukunft gerichtet besser machen können". Für Deutschland sei dabei die Stärkung der Bundeswehr wichtig, sagte Klingbeil. Denn Friedenspolitik bedeute auch, "militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen", auch wenn sie "das äußerste Mittel" bleiben müsse.
Klingbeil räumte dabei ein, dass Deutschland im Umgang mit seinen ost- und mitteleuropäischen Partnern "Fehler gemacht" und die Signale aus Russland spätestens nach der Annexion der Krim 2014 nicht richtig gedeutet habe. "Wenn wir aus den baltischen Staaten oder Polen hören, dass sie Angst davor haben, dass sie die nächsten Ziele Russlands sein könnten, dann müssen wir das ernst nehmen."
In der internationalen Politik werde es in den kommenden Jahren zu einem Wettstreit mit Staaten wie Russland und China um Beziehungen, Abhängigkeiten und Allianzen kommen, sagte der SPD-Chef weiter. Europa müsse deshalb "als geopolitischer Akteur mehr Gewicht bekommen". Denn Deutschland könne "nur stark sein, wenn Europa auch stark ist".
International gehe es nun darum, neue Bindungen und Strukturen zu schaffen, "die für alle Seiten einen Mehrwert haben", sagte Klingbeil. Dabei dürften aber Werte nicht auf der Strecke bleiben. "Es darf keine Kooperation ohne Haltung geben."
In der weltweiten Klimapolitik müsse Deutschland allerdings auch mit Ländern zusammenarbeiten, "die nicht unsere Werte teilen oder unser Gesellschaftsmodell sogar ablehnen". Es sei dann "jedes Mal eine Abwägung, wie tief die Kooperation geht". Es sei aber auch klar, "dass Wandel durch Annäherung nie wieder zu Wandel durch Handel werden darf".
J.Hasler--NZN