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Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat es abgelehnt, auf einen Eilantrag der AfD-Fraktion hin vorläufig mehrere von der AfD benannte Kandidaten als Ausschussvorsitzende im Bundestag einzusetzen. Die Frage müsse erst im Hauptverfahren geklärt werden, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Bis zu dieser endgültigen Entscheidung muss die Fraktion nun warten. (Az. 2 BvE 10/21)
Die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse bereiten die Sitzungen vor und leiten sie. Können sich die Fraktionen nach einer Bundestagswahl nicht auf die Postenverteilung einigen, dürfen sie reihum, der Größe nach, darauf zugreifen. Die AfD bekam so Ende 2021 zunächst den Vorsitz für den Innen-, den Gesundheits- und den Entwicklungsausschuss.
Üblicherweise bleibt es bei der Verteilung. Diesmal fielen die drei AfD-Kandidaten aber bei einer von den Regierungsfraktionen beantragten Wahl in den Ausschüssen durch, momentan werden diese von den stellvertretenden Vorsitzenden geleitet. Die AfD-Fraktion ist damit die einzige, die keine Ausschussvorsitzenden stellt.
In Karlsruhe strengte sie im Dezember eine Organklage gegen solche Vorsitzendenwahlen an. Sie sieht ihre Rechte auf Gleichbehandlung und auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Bundestags sowie ihr Recht auf effektive Opposition verletzt. Bis zum Urteil wollte sie die Sache vom Gericht vorläufig regeln und ihre Kandidaten schon einmal zu Vorsitzenden bestimmen lassen. Dies lehnten die Richterinnen und Richter des Zweiten Senats aber nun ab.
Sie erklärten zwar, dass sie eine Rechtsverletzung nicht von vornherein für völlig ausgeschlossen hielten. Die Abwägung der Folgen einer einstweiligen Anordnung führten aber dazu, diese abzulehnen: Würde sich die Wahl tatsächlich als verfassungswidrig herausstellen, könnte die AfD-Fraktion nämlich bis zur endgültigen Entscheidung trotzdem in den Ausschüssen mitarbeiten, auch ohne ein Funktionsamt zu haben.
Wäre die Wahl dagegen verfassungsgemäß, wären die Folgen einer einstweiligen Einsetzung gravierender: Dann würden die Ausschüsse bis zur Entscheidung von Menschen geleitet, die das Vertrauen der Mehrheit nicht besäßen, erklärte das Gericht. Das könnte ihre Arbeitsfähigkeit und damit die Funktionsfähigkeit des Bundestags insgesamt gefährden. Eine einstweilige Anordnung sei nicht dringend geboten.
Im Hauptverfahren will der Zweite Senat nun klären, ob die parlamentarische Geschäftsordnung "eine freie Wahl der Ausschussvorsitze zulässt, ob hiermit eine Beeinträchtigung von Rechtspositionen" der AfD-Fraktion verbunden sein könne und "ob eine solche im Hinblick auf den Zweck der Wahl zulässig wäre", wie es in dem Beschluss heißt.
Der Justiziar der AfD-Fraktion, Stephan Brandner, sprach nach Veröffentlichung des Beschlusses von einem "schlechten Tag für die parlamentarische Demokratie". Der Fraktion werde "eine faire Teilhabe an der parlamentarischen Arbeit verweigert".
E.Leuenberger--NZN