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Die Militärmachthaber in Myanmar haben die entmachtete De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi vom Hausarrest in Einzelhaft verlegt. "Auf Grundlage der Strafgesetze" befinde sich Suu Kyi seit Mittwoch in Einzelhaft in einem Gefängnis in der Hauptstadt Naypyidaw, erklärte Junta-Sprecher Zaw Min Tun am Donnerstag. Ein UN-Experte forderte mehr politischen Druck auf die Militärjunta in Myanmar.
Suu Kyis Regierung war im Februar vergangenen Jahres durch einen Militärputsch gestürzt worden, sie selbst stand seitdem unter Hausarrest. Aus Suu Kyis Umfeld verlautete am Donnerstag, die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gefängnis seien nach ihrer Inhaftierung verstärkt worden. Die 77-Jährige sei weiter in guter Verfassung, ihr Wille sei ungebrochen: "Sie ist es gewöhnt, jeder Situation ruhig die Stirn zu bieten."
Suu Kyis Verlegung ins Gefängnis signalisiere den Beginn eines noch härteren Umgangs mit ihr, kommentierte Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: "Ganz offensichtlich versuchen sie, sie und ihre Anhänger einzuschüchtern."
Wegen der angeblichen illegalen Einfuhr von Funkgeräten, Verstößen gegen die Corona-Regeln, Aufwiegelung gegen das Militär und Korruptionsvorwürfen wurde Suu Kyi in mehreren Prozessen in den vergangenen Monaten zu insgesamt elf Jahren Haft verurteilt. Zudem laufen gegen sie weitere Verfahren unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, Wahlbetrugs und Korruption.
Sollte sie in allen Fällen schuldig gesprochen werden, drohen der Friedensnobelpreisträgerin mehr als hundert Jahre Haft. Journalisten sind von den Gerichtsverhandlungen gegen Suu Kyi ausgeschlossen; Bitten ausländischer Diplomaten um eine Besuchserlaubnis bei ihr werden routinemäßig abgelehnt. Ihre Anwälte dürfen nicht mit Medienvertretern sprechen.
Nach Angaben von Beobachtern wurden in Myanmar seit dem Militärputsch am 1. Februar 2021 mehr als 2000 Menschen in getötet und mehr als 14.000 festgenommen. Viele von Suu Kyis politischen Verbündeten flohen ins Ausland, andere tauchten unter.
Der UN-Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte in Myanmar, Tom Andrews, forderte mehr politischen Druck der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean gegenüber den Militärmachthabern. "Je länger wir abwarten, je mehr Tatenlosigkeit es gibt, desto mehr Menschen werden sterben oder leiden", sagte Andrews der Nachrichtenagentur AFP. "Das Volk von Myanmar kann ganz einfach kein weiteres Jahr der Tatenlosigkeit ertragen."
Mit Blick auf für das kommende Jahr in Aussicht gestellte Wahlen in Myanmar sagte der UN-Sonderberichterstatter, es sei "absurd" davon auszugehen, dass diese frei und fair verlaufen würden. "Man kann keine freie und faire Wahl haben, wenn alle Gegner eingesperrt sind", sagte er.
Die Asean-Staaten hatten vergangenes Jahr ein Fünf-Punkte-Papier verabschiedet, das unter anderem ein Ende der Gewalt und einen konstruktiven Dialog in Myanmar fordert. Von der Militärjunta wurde das Papier jedoch ignoriert.
P.E.Steiner--NZN