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Die Umstände des überstürzten Abzugs der Bundeswehr und ihrer Verbündeten aus Afghanistan werden parlamentarisch aufgearbeitet. Ein Untersuchungsausschuss, über dessen Einsetzung der Bundestag am Donnerstag erstmals debattierte, soll mögliche Fehleinschätzungen und Versäumnisse deutscher Regierungsstellen kritisch beleuchten. Dabei soll es auch um die Frage gehen, warum es nicht gelungen ist, viele afghanische Ortskräfte rechtzeitig vor der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban in Sicherheit zu bringen.
Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner beklagte in der Debatte am Donnerstag eine "fragwürdige Lageeinschätzung" der zuständigen Stellen in Deutschland, die im vergangenen Jahr die Schlagkraft der Taliban unterschätzt hätten: "Wir müssen die Frage stellen, warum die Bundesregierung nicht früher im Bilde war über den drohenden Machtgewinn der Taliban."
Der Unions-Außenexperte Johann Wadephul (CDU) sprach von einem "hektischen Abzug" mit "dramatischen Evakuierungssituationen". Er fügte hinzu: "Die Bilder des Abzugs können wir nicht vergessen." Die Fehler müssten aufgearbeitet werden - "das schulden wir den Menschen, die wir in diesen Einsatz hineingeschickt haben."
Dem Ausschuss werde es nicht um "Schuldzuweisungen" gehen, sondern um das "Verständnis, dass man aus Fehlern lernt", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei einer Veranstaltung in Berlin. Sie finde es "sehr gut", dass der Einsatz aufgearbeitet werde.
Den Antrag zur Einsetzung des Ausschusses hatten die drei Koalitionsfraktionen gemeinsam mit CDU/CSU vorgelegt. Nach der Debatte am Donnerstag sollte der Antrag zur weiteren Beratung an den Geschäftsordnungsausschuss gehen. Die endgültige Einsetzung durch den Bundestag solle "so schnell wie möglich" erfolgen, hieß es aus der SPD-Fraktion.
Der Antrag auf Einsetzung des Ausschusses geht ausdrücklich auf die Ereignisse in den Tagen vor der Beendigung des Bundeswehreinsatzes am 27. August vergangenen Jahres ein. "Die militärische Evakuierungsoperation erfolgte unter dramatischen Umständen nach nur sehr kurzer Zeit der Vorbereitung", heißt es in der Vorlage.
Die Ereignisse in Afghanistan bedürften der Aufklärung darüber, wie es "zu den Lageeinschätzungen und Entscheidungen von Vertretern von Bundesbehörden" rund um den Abzug der Bundeswehr und anderer Deutscher gekommen sei, heißt es in dem Untersuchungsauftrag weiter.
Der Bundestag solle über den neuen Untersuchungsausschuss "seinen Beitrag zu einer gründlichen Aufklärung der Umstände, der Genese und des Ablaufs der militärischen Evakuierungsoperation und des Umgangs mit den afghanischen Ortskräften deutscher Stellen" leisten. Er solle zudem "Schlussfolgerungen für die Zukunft" aufzeigen.
Besonders ins Visier soll der Ausschuss das "Entscheidungsverhalten und Handeln" mehrerer Bundesbehörden nehmen: Kanzleramt, Bundesverteidigungsministerium, Auswärtiges Amt, Bundesinnenministerium und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Der 38 Punkte umfassende Untersuchungsauftrag zielt unter anderem auf die Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan, auf den Informationsaustausch von Bundesministerien, Bundesbehörden und Nachrichtendiensten und auf die Zuständigkeiten beim Abzug und der Evakuierung des deutschen Personals, der Ortskräfte und anderer betroffener Personenkreise ab. Auch die Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern - insbesondere den USA - soll untersucht werden.
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich lediglich von Ende Februar 2020 bis Ende September 2021 - also auf die Schlussphase des rund 20 Jahre währenden Einsatzes.
Die Koalitionsfraktionen planen, auch das Afghanistan-Engagement seit 2001 parlamentarisch aufarbeiten zu lassen. Diese Aufgabe soll eine Enquete-Kommission übernehmen, die der Bundestag noch einsetzen muss.
A.Ferraro--NZN