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Ein russischer Einmarsch in die Ukraine ist nach Einschätzung der US-Regierung "jederzeit" möglich. Auch während der noch bis zum 20. Februar andauernden Olympischen Winterspiele in Peking sei eine solche Invasion denkbar, warnte Außenminister Antony Blinken am Freitag bei einem Besuch in Australien. US-Präsident Joe Biden hatte US-Bürger zuvor zum sofortigen Verlassen der Ukraine aufgefordert. Auch Kanada rief seine Staatsbürger zur Ausreise auf.
Russland setze die Truppenmobilisierung an der ukrainischen Grenze weiter fort, betonte Blinken. Mit seiner Warnung vor einem auch kurzfristig möglichen Einmarsch Russlands in die Ukraine widersprach Blinken Einschätzungen, wonach Moskau während der Olympischen Winterspiele in Peking auf einen solchen Angriff verzichten könnte, um den Verbündeten China nicht zu verärgern. Bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele am 4. Februar hatten Kreml-Chefin Wladimir Putin und sein chinesischer Kollege Xi Jinping auch außenpolitisch Geschlossenheit demonstriert.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte am Donnerstag gewarnt, die Zahl der russischen Streitkräfte an der Grenze nehme zu. "Die Vorwarnzeit für einen möglichen Angriff wird immer kürzer", sagte er.
Biden rief US-Bürger am Donnerstag in einem voraufgezeichneten Interview mit dem US-Sender NBC auf, die Ukraine "jetzt" zu verlassen. Washington werde unter keinen Umständen US-Truppen in die Ukraine schicken, auch nicht zur Rettung von US-Bürgern im Falle einer russischen Invasion, warnte er. Dies würde "einen Weltkrieg" auslösen, sagte Biden. "Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schießen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt."
"Wir haben es hier mit einer der größten Armeen der Welt zu tun", sagte Biden mit Blick auf die russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine. "Das ist eine ganz andere Situation, und die Dinge könnten schnell außer Kontrolle geraten." Biden warnte seinen russischen Kollegen Putin davor, US-Bürgern Schaden zuzufügen. Falls Putin "so töricht" sei, in die Ukraine einzumarschieren, sei er hoffentlich "klug genug, nichts zu tun, was sich negativ auf amerikanische Bürger auswirkt".
Die US-Regierung hatte bereits im Januar ihren Bürgern empfohlen, die Ukraine wegen der "unvorhersehbaren" Lage zu verlassen. Sie hatte damals auch die Ausreise der Angehörigen von US-Diplomaten aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew angeordnet und ihre Bürger vor Reisen nach Russland gewarnt.
Das kanadische Außenministerium rief seine Staatsbürger auf seiner Website ebenfalls zur Ausreise auf: "Wenn Sie sich in der Ukraine befinden, sollten Sie sie verlassen." Russische Militäraktionen in der Ukraine könnten den Reiseverkehr im ganzen Land stören.
Russland hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt in der Ukraine wie im Westen die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland. Russland weist jegliche Angriffspläne zurück. Zugleich führt der Kreml an, sich von der Nato bedroht zu fühlen.
Eine neue Gesprächsrunde zur Ukraine-Krise im sogenannten Normandie-Format in Berlin endete in der Nacht zu Freitag ohne große Fortschritte. Die "schwierigen Gespräche" gingen nach neuneinhalb Stunden zu Ende, wie die Nachrichtenagentur AFP aus deutsch-französischen Verhandlungskreisen erfuhr. Dabei seien "die unterschiedlichen Positionen und verschiedene Lösungsoptionen deutlich herausgearbeitet" worden. An dem Treffen nahmen die außenpolitischen Berater der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs teil. Ein weiteres Treffen soll nach den Sitzungen der sogenannten Trilateralen Kontaktgruppe im März stattfinden.
Für zusätzliche Befürchtungen im Westen sorgt ein belarussisch-russisches Militärmanöver, das am Donnerstag nahe der ukrainischen Grenze in Belarus begonnen hatte. Nach Angaben der USA hat Russland für die zehntägigen Militärübungen 30.000 Soldaten nach Belarus verlegt.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums telefonierte US-Generalstabschef Mark Milley am Donnerstag mit seinem belarussischen Kollegen Viktor Gulewitsch, um die Gefahr von "Fehleinschätzungen" vor dem Hintergrund des Militärmanövers zu verringern.
R.Bernasconi--NZN