Euro STOXX 50
45.7500
Inmitten diplomatischer Verstimmungen zwischen Berlin und Ankara wegen der Torjubel-Affäre bei der Fußball-Europameisterschaft hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Besuch zum Viertelfinale am Samstag in Berlin angekündigt. Er wird im Olympiastadion das Spiel der türkischen Nationalmannschaft gegen die Niederlande besuchen, wie das türkische Präsidialamt am Donnerstag mitteilte. Kurz zuvor hatte das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter wegen der Torjubel-Affäre einbestellt.
Die Einbestellung fand am Donnerstagvormittag statt. Als Gastgeber der Europameisterschaft "wünschen wir uns, dass Sport verbindet", schrieb das Auswärtige Amt dazu im Online-Dienst X. Am Mittwoch hatte die türkische Regierung den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt, nachdem die Bundesregierung Kritik an der Wolfsgruß-Geste des türkischen Nationalspielers Merih Demiral beim Torjubel geäußert hatte.
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, forderte die Bundesregierung auf, Erdogan bei seinem geplanten Besuch des Viertelfinalspiels der Türkei bei der Fußball-Europameisterschaft in Berlin "keine große Bühne" zu bieten. "Autokraten sollten zu Hause bleiben", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Aber man kann den Besuch des Spiels wahrscheinlich nicht verhindern." Toprak befürchtet, dass der Besuch "den türkischen Nationalismus in den Stadien und auf den Straßen noch einmal beflügeln wird."
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, sieht dagegen keinen Grund für Kritik an Erdogans EM-Besuch. "Wenn Erdogan nach Berlin kommen will, dann soll er kommen", sagte Sofuoglu dem RND. "Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Andere Präsidenten und Könige kommen ebenfalls zu den Spielen ihrer Mannschaften. Als Viktor Orban zum Spiel der ungarischen Mannschaft nach Stuttgart gekommen ist, hat sich auch niemand aufgeregt."
Der CDU-Innenpolitiker Stefan Heck kritisierte den Besuch Erdogans als Einmischung in die innenpolitischen Angelegenheiten Deutschlands. Der Besuch des EM-Spiels Türkei gegen die Niederlande sei eine "klare Provokation", sagte Heck dem TV-Sender Welt. "Sie müssen davon ausgehen, dass Herr Erdogan nicht aus sportlichen Gründen nach Berlin kommt."
Abwehrspieler Demiral hatte die nationalistische Geste mit beiden Händen nach seinem zweiten Tor beim 2-1 Sieg seiner Mannschaft im Achtelfinalspiel gegen Österreich am Dienstagabend in Leipzig gezeigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte den europäischen Fußballverband Uefa auf, Sanktionen zu prüfen. Ankara nahm Demiral dagegen in Schutz. "Die Reaktion der deutschen Behörden gegenüber Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich", erklärte das türkische Außenministerium.
Der sogenannte Wolfsgruß gilt als Symbol der rechtsextremen türkischen Organisation Graue Wölfe. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die auch als Ülkücü-Bewegung bekannte Organisation als rechtsextremistische Gruppierung ein.
Vertreter der Parteien in Deutschland verurteilten die Geste Demirals. "Es ist absolut inakzeptabel, die Bühne der Fußball-Europameisterschaft zu missbrauchen, indem rechtsextreme Symbole gezeigt werden und so rassistisches Gedankengut transportiert wird", erklärte Dirk-Ulrich Mende von der SPD. "Die vermeintliche Entschuldigung durch den Spieler Merih Demiral, wonach er lediglich seiner 'türkischen Identität' Ausdruck verleihen wollte, ist ebenso inakzeptabel."
Der CDU-Politiker Christoph de Vries betonte: "Fußball und Faschismus sind ein krasser Widerspruch". Nichts rechtfertige das Zeigen rechtsextremistischer Symbole. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh erklärte, wer den Wolfsgruß auf dem Platz verbreite, habe "nicht nur Respekt vor dem Sport, sondern ganz grundlegend vor Menschen verloren." Die Uefa müsse sofort Konsequenzen ziehen.
A.P.Huber--NZN