SDAX
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Als Recep Tayyip Erdogan nach dem EM-Aus die Kabine der Türken betrat, schüttelte der Präsident jedem Spieler einzeln die Hand und richtete aufbauende Worte an die niedergeschlagene Mannschaft. "Ich gratuliere euch allen. Auch wenn wir heute hier dieses Ergebnis erzielt haben, seid ihr unsere Champions", sagte Erdogan nach der 1:2 (1:0)-Niederlage im Viertelfinale am Samstag in Berlin gegen die Niederlande.
Nach dem Wirbel um Nationalspieler Merih Demiral wegen der sogenannten Wolfsgruß-Geste und den darauf folgenden diplomatischen Spannungen hatte die Türkei nur knapp das erste EM-Halbfinale seit 16 Jahren verpasst. "Wir freuen uns mit euch. Das hat Zukunft, wir werden diese Arbeit auch in Zukunft fortsetzen. Ich glaube daran. Bisher haben wir das sehr gut hinbekommen", sagte Erdogan.
Doch erneut wurde das Sportliche teilweise von der Politik überschattet. Auch am Samstag im Berliner Olympiastadion war der Wolfsgruß, ein Handzeichen und Symbol der türkischen rechtsextremen und ultranationalistischen Organisation "Graue Wölfe", prominent zu sehen.
Während der Nationalhymne zeigten tausende türkische Fans auf der Tribüne die umstrittene Geste, die in Deutschland jedoch nicht verboten ist. "Die Leistung der türkischen Mannschaft verdient Respekt. Ein Teil hat das auf den Rängen leider wieder gründlich kaputt gemacht", schrieb Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bei X.
Schon bei einem Fanmarsch vor der Partie, der später von der Polizei beendet wurde, hatten Anhänger der Türkei den Wolfsgruß in großer Zahl gezeigt. Demiral hatte ihn im Achtelfinale gegen Österreich (2:1) beim Torjubel verwendet und war daraufhin von der UEFA für zwei Spiele gesperrt worden.
In der Folge hatte der Vorfall hohe Wellen geschlagen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte Demirals Aktion scharf, Deutschland sowie die Türkei bestellten die jeweiligen Botschafter ein. Zudem schaltete sich auch Erdogan ein und verfolgte das Viertelfinale letztlich an der Seite seiner Frau Emine im Stadion.
Die Mannschaft hielt das Thema im Nachgang der Partie demonstrativ von sich weg. "Kein Kommentar", sagte Kapitän Hakan Calhanoglu auf die Frage, ob die politischen Ereignisse die Mannschaft gestört hätten. Stattdessen lobte der Regisseur von Inter Mailand sein Team: "Wir sind stolz auf das, was wir geleistet haben. Wenn man ehrlich ist: Keiner hat erwartet, dass wir es so weit schaffen."
O.Pereira--NZN