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Remco Evenepoel stieg auf der Ziellinie von seinem Ersatzrad und breitete nach seinem historischen Erfolg im Schatten des Eiffelturms die Arme aus. Eine Woche nach seinem Triumph im Zeitfahren hat sich der Tour-Dritte als erster Fahrer der Geschichte zum Doppel-Olympiasieger auf der Straße gekürt - der souveräne Sieg geriet trotz eines späten Defekts nicht mehr in Gefahr.
Vor der Traumkulisse der Pariser Innenstadt gewann der 24 Jahre Ex-Weltmeister am Samstag das Straßenrennen über 273 km und machte den größten Erfolg seiner Karriere perfekt. Evenepoel siegte nach einer taktischen und fahrerischen Meisterleistung als Solist.
Rund 15 km vor dem Ziel hatte Evenepoel Valentin Madouas als letzten Verfolger abgehängt. Dieser gewann Silber, Bronze sicherte sich in Abwesenheit des slowenischen Tour-Champions Tadej Pogacar in Christophe Laporte ein weiterer Franzose. Maximilian Schachmann belegte als bester Fahrer des deutschen Duos den 28. Platz.
"Grandios", nannte Schachmann Evenepoels Leistung. Er selbst habe "nicht die besten Beine" gehabt, "aber es war nicht schlecht. Klar wären wir gern mit besseren Ergebnissen nach Hause gegangen, aber für mich persönlich merke ich, dass es wieder bergauf geht." Der Berliner störte sich am Mangel an Verpflegungspunkten. "Sie hätten mehr davon erlauben können, wenn sie im Sommer so ein langes Rennen machen. Das fand ich nicht gut."
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wartet seit 24 Jahren auf eine Medaille im Straßenrennen. 2000 in Sydney war Jan Ullrich als bislang letzter Deutscher Olympiasieger in dieser Disziplin geworden. Andreas Klöden sicherte sich damals Bronze. 1988 hatte Olaf Ludwig für die DDR triumphiert.
Das deutsche Duo Schachmann und Nils Politt war in Unterzahl und so mit einem taktischen Nachteil ins Rennen gegangen. Starke Nationen wie Dänemark, Frankreich oder Belgien waren mit vier Fahrern vertreten und konnten das Rennen diktieren. "Wir müssen uns den Gegebenheiten anpassen", hatte Schachmann vorab gesagt.
Politt suchte sein Heil in der Offensive. Das Rennen mit nur 90 Startern - 37 davon waren im Juli bei der Tour de France im Einsatz - entwickelte nach dem Angriff des Kölners 60 km vor dem Ziel eine neue Dynamik. Allzu weit kam Politt mit seiner Flucht aber nicht. Der 30-Jährige verlor vor der zweiten Auffahrt zum gepflasterten Montmartre-Anstieg, an dem eine gewaltige Stimmung wie sonst nur bei Klassikern oder Tour-Bergankünften herrschte, den Anschluss an die restlichen Ausreißer.
Evenepoel gab auf dem kurvenreichen und technisch anspruchsvollen Rundkurs das Tempo vor. Sein niederländischer Rivale, Weltmeister Mathieu van der Poel, war in der Verfolgung auf sich gestellt. Von seinem belgischen Begleiter Wout van Aert konnte er keine Hilfe erwarten.
Evenepoel verschärfte nochmals das Tempo und hängte Madouas ab - dann wurde es für einige Momente dramatisch, das Material streikte. Doch die Triumphfahrt des Belgiers zum zweiten Gold der Sommerspiele in Paris geriet nicht mehr in Gefahr.
R.Bernasconi--NZN