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Gleich mehrere wissenschaftliche Berichte, die Defizite der deutschen Klimaschutzpolitik aufzeigen, haben den Handlungsdruck auf die Bundesregierung erhöht. Der unabhängige Expertenrat der Regierung für Klimafragen bescheinigte dieser in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme, ihr Klimaschutzprogramm stehe nicht im Einklang mit den gesetzlich festgelegten Emissionszielen. Allerdings bescheinigte das Gremium der Ampel-Regierung auch erreichte Fortschritte.
Aus dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung gehe nicht hervor, "wie die verbleibende Differenz zu den Klimaschutzgesetz-Zielen geschlossen werden soll", schreiben die Expertinnen und Experten. Es fehle ein "schlüssiges Gesamtkonzept". Ratsmitglieder empfahlen daher zusätzliche Maßnahmen - zum Beispiel den Abbau klimaschädlicher Subventionen oder das Vorziehen eines Zertifikatehandels mit festen Emissions-Obergrenzen. Letzteres müsse jedoch sozial flankiert werden.
Laut dem ebenfalls am Dienstag vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichten Projektionsbericht 2023 der Regierung ist nach jetzigem Stand davon auszugehen, dass je nach Szenario im Zeitraum bis 2030 zwischen 194 und 331 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen werden als zulässig. Allerdings hatte die Lücke vor zwei Jahren im damaligen Projektionsbericht des UBA noch 1100 Millionen Tonnen CO2 betragen.
Das Ziel, die Emissionen bis 2030 um 65 Prozent verglichen mit 1990 zu verringern, könnte laut den UBA-Daten im günstigsten Szenario erreicht werden. Die erwarteten Zielverfehlungen beziehen sich vorwiegend auf die Jahre dazwischen und konzentrieren sich auf die Bereiche Verkehr, Industrie und Gebäude.
"Das ist ein großer Fortschritt", erklärte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) zur Verringerung der Lücke zum Erreichen der Emissionsziele. Er führte dies auf Weichenstellungen der Regierung zurück, vom Ausbau erneuerbarer Energien bis zur Dekarbonisierung der Industrie. Gleichwohl sei für das Erreichen der Klimaziele "noch viel zu tun". "Daran zu arbeiten, ist eine Aufgabe für die gesamte Regierung", hob Habeck hervor.
Die im Klimaschutzprogramm der Regierung enthaltenen Maßnahmen hätten "das Potenzial, signifikante Treibhausgasminderungen zu ermöglichen", erkannte auch der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, an. Gleichwohl entspreche das Programm aber "nicht den Anforderungen im Klimaschutzgesetz", da die Emissionsziele selbst bei vollständiger Umsetzung verfehlt würden.
Die Expertinnen und Experten kritisierten zudem erhebliche Unsicherheiten bei den Annahmen der Regierung. "Es gibt keine konsistente Datengrundlage für die Wirkung der Maßnahmen", sagte Henning. Der Expertenrat sei daher "nicht in der Lage, valide Aussagen zu Wirkung des Klimaschutzprogramms zu machen". Es sei jedoch davon auszugehen, dass "die kumulierte Zielerreichungslücke größer ausfallen wird" als von der Regierung errechnet - auch weil viele Maßnahmen vage formuliert seien oder es Zweifel an der Umsetzung gebe.
Die mit Abstand größten Probleme sieht der Expertenrat im Verkehrssektor, der ebenso wie der Bereich Gebäude Gegenstand eines zusätzlichen separaten Prüfberichts ist. Zwar gebe es auch beim Verkehr "eine stärkere Ambition als zuvor", dies reiche aber "klar nicht aus, um die Ziele für die kommenden Jahre zu erreichen", warnte Henning. Seine Stellvertreterin Brigitte Knopf verwies auf das Fehlen von Maßnahmen zum Pkw-Individualverkehr. In den Sektoren Verkehr und Gebäude waren die Emissionsziele 2022 verfehlt worden.
Mehrere Umweltverbände drängten die Bundesregierung zu entschlossenem Handeln. Notwendig sei jetzt "wirksamer und umfassender Klimaschutz in allen Sektoren", erklärte der WWF. "Der Bundeskanzler muss dafür sorgen, dass der fortgesetzte Rechtsbruch beim Klimaschutz durch die gesamte Regierung endlich endet", forderte Germanwatch. Greenpeace erklärte, der Expertenbericht entlarve das Klimaschutzprogramm der "Ampel" als "Luftschloss".
Die Deutsche Umwelthilfe verlangte "vor allem für den Verkehrssektor ein Klimanotfallprogramm". Die Organisation Letzte Generation kündigte weitere Straßenblockaden an.
E.Schneyder--NZN