Euro STOXX 50
0.3400
Tun Regierungen genug für den Klimaschutz? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) will am Dienstag in drei separaten Fällen über die Verantwortung von Staaten angesichts der Erderwärmung entscheiden. Bereits vor der Verkündung versammelten sich dutzende Menschen vor dem Gerichtsgebäude in Straßburg, darunter die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.
"Klimagerechtigkeit ist ein Menschenrecht" war auf einem Plakat einer Gruppe älterer Damen aus der Schweiz zu lesen. Der Verein Klimaseniorinnen gehört zu den Klägern, in deren Verfahren nun ein Urteil fallen soll. Die Gruppe von rund 2500 Frauen im Alter von durchschnittlich 73 Jahren beklagt "Versäumnisse der Schweizer Behörden" beim Klimaschutz. Diese würden "ihren Gesundheitszustand ernsthaft beeinträchtigen".
"Ich bin 82 Jahre alt und werde die Auswirkungen der heute getroffenen Entscheidungen nicht mehr erleben", sagte Bruna Molinari, Mitglied der Schweizer Klimaseniorinnen. "Die Politik muss sich ändern, und das wird Zeit brauchen."
Weitere Kläger sind Damien Carême, Ex-Bürgermeister der nordfranzösischen Küstenstadt Grande-Synthe und heute EU–Parlamentarier, sowie in dem dritten Fall sechs junge Portugiesen. Carême wirft in seiner ebenfalls zur Entscheidung anstehenden Klage der französischen Regierung vor, nicht genügend gegen den Klimawandel zu tun, um eine Überflutung seiner Stadt zu verhindern.
Die portugiesischen Jugendlichen sind nach Straßburg gezogen, um nach den verheerenden Waldbränden in ihrem Land im Jahr 2017 nicht nur gegen die eigene Regierung, sondern gleich gegen 31 weitere Staaten - alle EU-Länder sowie Norwegen, die Schweiz, die Türkei, Großbritannien und Russland wegen Versäumnisse beim Klimaschutz zu klagen.
"Diese drei Fälle, die von Menschen im Alter von zwölf bis über 80 Jahren angestrengt wurden, zeigen, dass wir alle von der Klimakrise betroffen sind", sagte die 23-jährige Portugiesin Catarina dos Santos Mota.
Die Klimaschutzklagen wurden von der Großen Kammer, der obersten Instanz des EGMR, vorrangig verhandelt – ein Zeichen für die Bedeutung der Entscheidung. Der EGMR wurde 1959 in Straßburg von den Mitgliedstaaten des Europarats errichtet, um die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 sicherzustellen.
Die erwarteten Entscheidungen stellen einen möglichen Wendepunkt dar: Der europäische Menschengerichtshof hat sich zuvor noch nie explizit zur Verantwortung von Staaten für Maßnahmen gegen die Klimakrise geäußert. Durch die Urteile könnten Regierungen zu einer ehrgeizigeren Klimapolitik gezwungen werden.
P.E.Steiner--NZN