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Melonen und Tomaten aus dem umstrittenen Gebiet der Westsahara müssen entsprechend gekennzeichnet sein. Wäre Marokko als Ursprungsland angegeben, würde dies die Verbraucher über ihren wahren Ursprung irreführen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Freitag entschied. Die Luxemburger Richter kippten außerdem ein EU-Abkommen mit Marokko zum Handel mit Agrar- und Fischereierzeugnissen unter Verweis auf die Westsahara. (Az. C-399/22 u.a.)
Marokko kontrolliert den größten Teil der rohstoffreichen Region an der fischreichen Atlantikküste im Nordwesten Afrikas. Der Rest wird von der Polisario-Front gehalten, die nach dem Rückzug Spaniens aus seiner ehemaligen Kolonie im Jahr 1975 einen 15-jährigen Krieg gegen Marokko führte. Die marokkanische Regierung betrachtet die Westsahara als ihr Hoheitsgebiet.
Der EuGH unterstrich jedoch, dass die Pflicht zur Herkunftskennzeichnung "nicht nur für Erzeugnisse aus einem 'Land' als Synonym für 'Staat', sondern auch für Erzeugnisse aus 'Gebieten'" gilt. Auf solche Gebiete erstrecke sich zwar die Hoheitsgewalt oder die internationale Verantwortung eines Staates, aber sie hätten einen eigenen völkerrechtlichen Status. Marokko als Ursprungsland für Erzeugnisse aus der Westsahara wäre daher irreführend.
Hintergrund des Verfahrens war der Antrag eines französischen Landwirtschaftsverbandes auf ein Einfuhrverbot von Produkten aus der Westsahara nach Frankreich, weil diese systematisch falsch gekennzeichnet seien. Der EuGH bestätigte, diese Auffassung des Verbandes, stellte jedoch auch klar, dass Frankreich keinen Einfuhrstopp verhängen dürfe. Für eine solche Maßnahme sei ausschließlich die Union zuständig, erklärten die Richter.
In einem weiteren Urteil stärkte der EuGH die Rechte der Polisario-Front und der Unabhängigkeitsbefürworter der Westsahara: Er bestätigte einen Nichtigkeitsbeschluss des erstinstanzlichen Gerichts der Europäischen Union bezüglich eines Agrar- und Fischereiabkommens der EU mit Marokko. Die Polisario-Front hatte gegen das Abkommen geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Der EuGH wies nun die von der EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedstaaten eingelegten Rechtsmittel dagegen ab.
Das strittige Abkommen deckt auch Produkte aus der Westsahara ab, dafür hätte die EU jedoch die Zustimmung der dortigen Bevölkerung einholen müssen, erklärte der EuGH. Die Richter bemängelten, dass es zwar Konsultationen gegeben habe, jedoch vorwiegend mit Menschen, die derzeit in der Westsahara leben. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich zahlreiche Menschen aus Marokko in der Westsahara niedergelassen, während viele Unabhängigkeitsbefürworter heute im Nachbarland Algerien leben.
"Da sich ein erheblicher Teil dieses Volkes derzeit außerhalb des betreffenden Gebiets befindet, waren die Konsultationen nicht geeignet, dessen Zustimmung zu belegen", hieß es in einer zusammenfassenden Pressemitteilung des EuGH. Das Fischereiabkommen ist bereits ausgelaufen, das Marokko-Abkommen für Agrarprodukte bleibt laut EuGH nun noch zwölf Monate gültig, um "schwerwiegende negative Folgen" für die Wirtschaft zu verhindern.
F.E.Ackermann--NZN