DAX
200.7200
Die katholische Kirche in Italien will den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester in den vergangenen 20 Jahren in einer Studie aufarbeiten. "Das ist unsere Pflicht angesichts von so viel Leid", sagte Kardinal Matteo Zuppi, der diese Woche von Papst Franziskus zum Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz ernannt worden war, am Freitag. Betroffeneninitiativen kritisierten den kurzen Untersuchungszeitraum.
Die Bischofskonferenz kündigte eine "Analyse" in Zusammenarbeit mit namentlich nicht genannten unabhängigen Forschungseinrichtungen an. Darin solle es um mutmaßliche oder bestätigte Verbrechen von Kirchenvertretern in Italien in den Jahren 2000 bis 2021 gehen, erklärte die Bischofskonferenz.
Dafür sollen Daten ausgewertet werden, die von der für Missbrauchsthemen zuständigen Glaubenskongregation des Vatikans verwahrt werden. Ziel sei ein "tieferes und objektiveres Wissen über das Phänomen". Die Studie werde "eine Verbesserung von Präventivmaßnahmen" und einen "bewussteren" Umgang mit Opfern erlauben, erklärte die Bischofskonferenz weiter.
Betroffeneninitiativen kritisierten den Untersuchungszeitraum als zu kurz und riefen Italien auf, es anderen Ländern nachzumachen und eine umfassende und unabhängige Untersuchung zu ermöglichen. Francesco Zanardi, der als Jugendlicher von einem Priester missbraucht worden war, bezeichnete es als "diskriminierend", nur Fälle ab dem Jahr 2000 zu prüfen. Dadurch würden "viele Fälle, wie meiner, ausgeschlossen", sagte er.
Zanardi ist Gründer der Betroffeneninitiative "Rete L'Abuso" (Missbrauchs-Netzwerk). Dieses ermittelte nach eigenen Angaben mehr als 300 Fälle in den vergangenen 15 Jahren, in denen Priester des Kindesmissbrauchs beschuldigt oder deswegen verurteilt wurden. Landesweit gibt es 50.000 Priester.
Die neue Studie ist Teil eines Fünf-Punkte-Plans, den die Bischofskonferenz bei einem Treffen in Rom beschloss. Dieser sieht auch Pläne für einen "nationalen Bericht" über Fälle und Präventionsmaßnahmen in den vergangenen zwei Jahren vor.
Untersuchungen in den USA, Europa und Australien hatten in den vergangenen Jahren einen weit verbreiteten Missbrauch von Kindern und jahrzehntelange Vertuschung in der katholischen Kirche nachgewiesen. Italien soll sich nach Einschätzung vieler Gruppen nicht länger einer gründlichen Untersuchung entziehen.
T.Furrer--NZN